Besuch einer Dialysestation mit Blick in den Krankenhaus- und Patientenalltag.
Dialysestation des Prosper Krankenhauses Recklinghausen, 9:00 Uhr morgens: Geschäftig legen Dialysepfleger und Fachschwestern Dialyse Patienten an die Dialysemaschinen an, kontrollieren den Blutdruck und stellen den Blutfluss ein, tragen Dialysebeutel mit Elektrolytlösungen zu einzelnen Apparaturen. 10.000 Nierenersatzverfahren führt die Klinik pro Jahr durch und setzt dafür unterschiedliche Dialyseverfahren ein. Einer der Patienten ist Eckhard Freiling, seit sechs Jahren dialysepflichtig. Seine Erkrankung hat er im Griff. Heute ist wieder ein Dialysetag für ihn.
Die meisten der ambulanten Patienten sind an die Hämodialyse angeschlossen. Das Blut fließt durch tausende kleine poröse Hohlfasermembranen, die von außen mit Elektrolytlösung umspült werden und von einer Kunststoffkapsel umschlossen sind. Die Schadstoffe aus dem Blut diffundieren bis zu einer gewissen Größe durch die Membran in die hochsterile Elektrolytlösung. Deren Salzkonzentration kann etwas unterhalb der Salzkonzentrationen im Blut des Patienten individuell eingestellt werden. Reichen die Plätze an der Hämodialyse nicht aus oder liegt ein Patient auf der Intensivstation, kommen die mobilen Geräte der Hämofiltration zum Einsatz. Das Blut fließt wiederum durch die Filtermembran, über die jetzt durch Druckgradient Plasmaflüssigkeit aus dem Blut mit den darin enthaltenen Schadstoffen abfiltriert wird. Dr. Joachim Kühne, Chefarzt der nephrologischen Abteilung des Prosper Krankenhauses, erklärt: „Die dem Körper entzogene Flüssigkeit müssen wir natürlich wieder ersetzen. Dem Patienten führen wir deshalb eine hochsterile Elektrolytlösung aus Beuteln venös wieder zu. Die Zusammensetzung an Salzen wie Natrium, Kalium, Calcium, Bicarbonat und weiteren Elementen, ist auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt.“
Sämtliche 15 Betten auf der Dialysestation sind heute Morgen belegt – der gewohnte Alltag für Ärzte und Pfleger. Die Patienten hören Musik, lesen, unterhalten sich und warten. Denn auch für sie sind die vier bis fünf Stunden, die sie dreimal pro Woche hier verbringen, Teil ihres Lebens geworden. Eckhard Freiling liegt jeden Montag- und Donnerstagvormittag im Prosper und lässt sein Blut entgiften sowie seinen Körper entwässern. Heute ist er an die Hämofiltration angeschlossen. Knapp 350 ml Blut pumpt die Apparatur pro Stunde ab und presst das Plasmawasser mit den Giftstoffen aus seinem Blut über die Filtermembran.
Unterhalb der Filteranlagen hängen an einer Waage zwei Beutel: Der eine versorgt ihn mit gesunder Elektrolytlösung, die das abgepresste Plasmawasser ersetzt; der andere nimmt das Plasmawasser mit den Giftstoffen auf. „Mit der Waage haben wir die Flüssigkeitsbilanz unter Kontrolle. Einen Teil der Flüssigkeitsmenge, die die Filtration Herrn Freiling entzieht, ersetzen wir“, erklärt Kühne. Denn die Dialyse dient auch dazu, den Körper zu entwässern. Funktionieren die Nieren nicht mehr, können die Patienten Wasser nicht mehr ausscheiden und es lagert sich in Gewebe, Lungen oder Organen ein. So erhält auch Freiling nur den Anteil an Flüssigkeit über die Elektrolytlösung zurück, den er für sein Wohlergehen benötigt.
Gelassen betrachtet der 70-jährige Rentner die Hightech-Einrichtung neben seinem Bett. Längst hat er sich an die Situation gewöhnt, denn er ist bereits seit sechs Jahren auf die Dialyse angewiesen: „Ich hatte eine Kieferoperation. Schon davor waren meine Nierenwerte nicht so gut. Eine Woche nach der Operation bin ich mit akuten Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus gekommen und lag erst einmal drei Wochen auf der Intensivstation. Danach war klar, dass meine Nieren nicht mehr ausreichend arbeiten.“
Doch von dieser Diagnose hat sich der optimistische Mann nicht unterkriegen lassen. Bei einem Spezialisten hat er sich einen Shunt – die für die Dialyse notwendige Kurzschlussverbindung zwischen Arterie und Vene – legen lassen und seine Situation angenommen. „Ich habe mir noch im Krankenhaus damals geschworen, dass die Krankheit mein Leben nicht so einschränken darf, dass ich an nichts anderes mehr denke. Also habe ich angefangen, mich konstruktiv damit zu beschäftigen.“ Der rüstige Mann besucht Vorträge, recherchiert im Internet und steht über das Wartelistenbüro in Kontakt mit Eurotransplant, der Vermittlungsstelle für Organspenden. Denn eines war ihm schnell klar: Eine Spenderniere würde ihm nicht nur viel Zeit und Flexibilität zurückgeben, sondern auch seine Lebenserwartung erhöhen. Pragmatisch macht Freiling klar: „Mit einer neuen Niere steigt meine Lebenserwartung um fünf bis zehn Jahre. Deshalb habe ich mich beim European Senior Programm von Eurotransplant angemeldet.“ Innerhalb dieses Programms ist es möglich, dass ältere Menschen ihre Niere an ebenfalls Ältere spenden. Zufrieden erklärt Freiling: „Mit diesem Programm verkürzen sich die Wartezeiten für uns Ältere von acht auf fünf bis sechs Jahre. Ich kann zwar nach einer Transplantation ein Jahr lang nicht zu allen Urlaubszielen fahren, aber das nehme ich in Kauf.“
Ihre Urlaube lassen sich der jung gebliebene Rentner und seine Frau durch die Krankheit nicht vermiesen. Regelmäßig fahren sie nach Fuerteventura oder an die Nordsee. Demnächst steht ein Urlaub auf den niederländischen Antillen an. Die Urlaubsvorbereitungen umfassen ein paar Schritte mehr, als es früher der Fall war. Im Internet checkt Freiling, welche Dialyseeinrichtungen es in der Nähe seines Urlaubsdomizils gibt und kontaktiert sie im Vorfeld: „Ich schicke dort meine Arztberichte hin, die ich, wenn nötig, übersetzen lasse. Dann vereinbare ich vorab die Dialysetermine und es geht los.“ Auf Texel und Norderney kennt ihn das Personal der Dialysestationen inzwischen, genauso wie auf Fuerteventura. Die Abrechnung läuft über die Krankenkasse, von der sich Freiling vorab immer die Zusage zur Kostenübernahme einholt. Seit er auf der Liste für die Organspende bei Eurotransplant steht, meldet er beim Wartelistenbüro seine anstehenden Urlaube an, denn: „Da man ja nicht weiß, wann ein Spenderorgan zur Verfügung steht, muss ich für Eurotransplant immer erreichbar sein. Wenn es dann soweit ist, muss ich ganz schnell unters Messer. Während der Urlaubszeit lasse ich meinen Namen beim Wartelistenbüro auf „Nicht Transplantabel“ setzen und die wissen, dass ich in diesem Zeitraum nicht verfügbar bin.“ Bis zum Tag x legt sich Freiling jedoch noch zweimal in der Woche für vier bis fünf Stunden an die Dialyse.
An einer ganz anderen Art von Dialyse liegt Christof Widera. Bei ihm ist das Verfahren der Wahl die Bauchfelldialyse. In den Bauchraum gelangen über einen Katheder zwei Liter Elektrolytlösung aus dem Dialysebeutel. Die Gefäße des Bauchfells wirken als natürliche Membran: Auch im Körper von Widera reichern sich Giftstoffe an, da seine Nieren nicht mehr arbeiten. Durch das Bauchfell wandern diese in die Dialyselösung im Bauchraum. Nach rund zwei Stunden fließt diese mit den Giftstoffen wieder ab. Um den Patienten wirkungsvoll zu entgiften, muss dieser Vorgang vier Mal wiederholt werden. Obwohl dieses Dialyseverfahren acht Stunden in Anspruch nimmt, hat es laut Kühne viele Vorteile: „Für den Köper ist diese Art der Dialyse sehr viel schonender, da sie langsamer vor sich geht. Darüber hinaus könnte der Patient das auch allein zu Hause machen und muss nicht ins Krankenhaus kommen. Ein Patient von mir lässt die Dialyse einfach während seiner Arbeitszeit im Büro laufen. Vor allem junge Patienten schätzen diese Flexibilität.“
Für die mobile Dialyse müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Der Patient muss die technischen Herausforderungen annehmen und bereit sein, sich selber an die Dialyse anzuschließen. Außerdem benötigt er genug Lagerraum für Verbrauchsmaterial und Equipment. Fachschwester Aleksandra Taron erklärt: „Die Beutel, Schläuche, Mundschutz, Desinfektionsmittel liefern Hersteller wie Fresenius, Baxter oder B.Braun direkt zum Patienten nach Hause. Dafür braucht er mindestens zehn Quadratmeter Lagerfläche. Pro Dialyse sind vier Beutel notwendig, deshalb sollten die Patienten diese nicht unbedingt im Keller lagern, da es sonst eine ganz schöne Schlepperei wäre.“ Die Beutel können die Patienten manuell wechseln, oder an ein dafür ausgelegtes Gerät anschließen und das Verfahren so automatisieren.
Das A und O bei jeder Dialyse ist die Hygiene. Das gilt für das An- und Ablegen der Patienten an den Dialysegeräten, für das komplette Equipment und natürlich auch für die Herstellung sowie Befüllung der Beutel mit den Elektrolytlösungen. Verunreinigungen oder Keime sind für die Patienten lebensbedrohlich. Die Beutel mit der Dialyselösung bestehen aus mehrschichtigem Kunststoff. Die KIEFEL GmbH, Freilassing, hat jahrzehntelange Erfahrung in der Konstruktion und im Bau von Maschinen und Anlagen zur Herstellung von Dialysebeuteln. Abhängig von der Art des Kunststoffes setzt das Unternehmen dazu das Hochfrequenz- oder Thermokontaktschweißverfahren ein. Die Anlagen verbinden zwei Lagen Kunststofffolie und erzeugen daraus Dialysebeutel. Die Maschinen integrieren dabei Anschlusstücke an den Beuteln während des Schweißvorganges. Die Produktion und Befüllung der Beutel muss unter den Bedingungen der höchsten Hygiene-Klasse erfolgen. Bestmögliche Materialkombinationen bei der Konstruktion und dem Bau der Maschine sind gefragt, die z.B. die Entstehung von Partikeln – etwa durch Gleitreibung – sicher vermeiden. Denn diese könnten über den Dialysebeutel in den Kreislauf des menschlichen Körpers gelangen und zu chemischen Ablagerungen oder allergischen Reaktionen führen. Die Konstruktion der Anlagen schließt daher aus, dass Kleinstteile während der Konfektion in die Beutel gelangen. So ist die Sicherheit des Patienten gewährleistet, was durch regelmäßige Qualitätskontrollen intern und extern geprüft wird.
Hämofiltration: Das Blut des Patienten strömt mit mindestens 300 ml/min über eine Filtermembran. Eine Pumpe baut auf der Blutseite Druck auf, sodass Plasmaflüssigkeit aus dem Blut durch den Filter gepresst wird. Durch diesen transmembranen Fluss werden auch die im Blut akkumulierten Giftstoffe mit entfernt. Ein Teil der entzogenen Flüssigkeit wird durch die Elektrolytlösung aus den Dialysebeuteln dem Patienten wieder zugeführt.
Hämodialyse: Das Blut durchströmt das Innere eine Hohlfasermembran außerhalb des Körpers. Das Äußere der Membran umspült Elektrolytlösung. Die Membran funktioniert wie ein Filter, ist also nur für einen Teil der Substanzen durchlässig. Die Entgiftung des Patienten funktioniert nach dem Prinzip der Osmose: Sind auf der einen Seite der Membran Stoffe in höherer Konzentration vorhanden als auf der anderen, dann wandern diese durch die Membran, bis es zu einem Ausgleich der Stoffkonzentration kommt. Die Giftstoffe aus dem Blut wandern in die Dialyselösung, erwünschte Stoffe gelangen durch die Membran in das Blut des Patienten.
Bauchfelldialyse: Aufgrund seines besonderen Aufbaus kann das Bauchfell als „Filtermembran“ genutzt werden. Über einen Katheter gelangt Dialyselösung in den Bauchraum und verbleibt dort bis zu mehreren Stunden. Die kleinmolekularen Substanzen können aus dem Blut über die Kapillargefäße des Bauchfells in die Dialyselösung übertreten. Die Dialyselösung muss nach einer bestimmten Zeit abgelassen, durch eine frische ersetzt und der Prozess bis zu vier Mal wiederholt werden.
Shunt: Es handelt es sich um eine chirurgisch angelegte Kurzschlussverbindung zwischen einer Arterie und einer Vene und befindet sich oft am Unter- oder Oberarm des Patienten. Der Shunt kann bis zu 500 ml Blut pro Minute fördern, was eine normale Vene nicht annährend schafft. Erst so ist die Dialyse per Hämofiltration oder Hämodialyse möglich.